Montag, 29. August 2011

Für immer in meinem Herzen…

Heute ist der 29.08.2011.

Genau vor einem Jahr ist mein Vater mit einer Blindarmentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden und nicht mehr nach Hause gekommen. 

Drei Tage zuvor war die Welt noch in Ordnung für mich.

Ich habe abends mit meinen Eltern telefoniert (sie wohnen 600 km weiter im Ruhrgebiet) und mit meinem Vater herumgeblödelt. Wie immer, wenn es um ihn selber ging, hat er nichts von seinen Bauchschmerzen gesagt, die ihn schon den ganzen Tag geplagt haben.

Meine Mutter konnte ihn dann am nächsten Tag überreden zum Arzt zu gehen und dort wurde eine Blindarmentzündung diagnostiziert. Er hat das Ganze wohl als Routine angesehen, mit dem man niemanden belasten müsse, wenn man hinterher davon erzählt, kann man dann immer noch gemeinsam drüber lachen. So oder so ähnlich werden seine Gedanken wieder gewesen sein. Er wollte nie, dass man sich Sorgen um ihn macht.

Als er am Samstag ins Krankenhaus eingeliefert wurde, war ich eine der wenigen Male aus und mit einer Bekannten im Kino. Ich habe mich sehr darüber gefreut, da ich gerne ins Kino gehe und hier in München noch niemanden gefunden habe, der mal mitgeht. Danach sind wir noch in den Irish Pub gegangen und ich kam recht spät nach Hause und bin gleich ins Bett. Früh morgens um 06.00h hat mich dann der Anruf meiner Mutter erreicht. Mein Vater ist während der Operation ins Koma gefallen und seitdem nicht mehr aufgewacht.

Ich frage mich heute immer noch, warum ich nichts davon gespürt habe. Es müsste doch Zeichen geben, wenn es einem Menschen, dem man nahe steht nicht gut geht, man müsste doch spüren, dass da jemand Hilfe braucht. Ein innere Stimme, ein Unbehagen, warum habe ich nichts davon gespürt. Ich verstehe es auch heute noch  nicht.

Da meine Mutter ganz durcheinander war, habe ich dann in der Klinik angerufen und die Nachtschwester konnte mir sagen, dass er kurz in der Nacht aufgewacht ist und ihr zumindest zunicken konnte. Daran habe ich mich geklammert und das war mein Rettungsanker. Es hat für mich bedeutet, dass mein Vater die Umgebung erkennt und trotz Koma keinen Gehirnschaden erlitten hatte, eine Gefahr, die er immer wieder für sich selber gefürchtet hat. 

Meine Mutter war völlig verzweifelt, weil sie immer wieder mit meinem Vater über so einer Situation gesprochen hat. Er hatte schon viele Bypass-Operationen hinter sich und hat immer gesagt, dass meine Mutter keinen Notarzt holen soll, wenn er mal umfällt, weil er es nicht ertragen könnte nach einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt dahinzuvegetieren. Nun ist er während der OP doch reanimiert worden und sie hatte das Gefühl, als habe sie ihr Versprechen gebrochen. Wir hielten also die Luft an und warteten darauf, dass er wieder aufwacht und wir waren uns sicher, dass er ohne Schäden aufwachen würde. Daran haben wir festgehalten und gewartet. Nur das erschien uns wichtig.

Nichts hat mich darauf vorbereitet, dass meine Mutter zwei Stunden später anrief  mit den Worten: "Petra, der Papa ist gerade gestorben, er ist nicht mehr aufgewacht."

Ich kann dieses Gefühl gar nicht beschreiben. Man hört zwar die Worte, aber man nimmt sie gar nicht auf. Gleichzeitig stürzt man in ein tiefes Loch und hat das Gefühl, das bin gar nicht ich, die das gerade hört. Es tut wahnsinnig weh und doch ist es beinah unwirklich, weil man noch gar nicht begriffen hat, dass es etwas Endgültiges beschreibt. Es nimmt einem die Luft weg und schafft nicht einen klaren Gedanken.

Ich habe irgendwie den Tag verlebt, wie weiß ich gar nicht mehr genau. Die meiste Zeit habe ich nur in meiner Wohnung gelegen und geweint, es immer noch nicht begreifend. 

Zwischendurch habe ich mit meiner Mutter telefoniert, die sich mit Hilfe von Freunden schon um die Beerdigungsdetails und ähnliches kümmern musste, was ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht realisieren konnte. 

All meine Gedanken liefen durcheinander, ich konnte immer nur denken: Nie wieder… und ich war verzweifelt dass wir bei unserem letzten Gespräch nur herumgeblödelt habe. Man hätte so viel Wichtiges sagen können. 

Ich habe es meinen beiden Freunden erzählt und es trotzdem immer noch nicht realisiert.
Mitten in der Nacht bin ich dann online gegangen, um meinen Kummer hinauszuschreien, ich dachte so verstehe ich vielleicht was da  passiert. 

Ich habe einen Gesprächspartner gefunden, mit dem ich wahrscheinlich das erste ernste Gespräch geführt habe, seitdem ich ihn kannte. Es hat nicht geholfen, doch er hat mir sehr einfühlsam von seinem Vater erzählt, der ebenfalls zuvor gestorben war. Daher wusste er auch, dass ich noch nicht in einer Phase war, wo man mich trösten konnte und er hat auch verstanden, dass auch er mir nicht helfen konnte. Er hat wohl begriffen, dass ich erstmals versuchen musste, wieder aus meinem Loch zu kommen und davon noch weit entfernt war.

Nach einer durchschlafenen Nacht, war mir klar, dass ein Arbeiten am Montag gar nicht möglich war und ich bin zum Arzt gegangen um mir ein leichtes Schlafmittel zu holen, damit es mir wenigsten Dienstag wieder besser ging.

Der Arzt war dann der erste Mensch, den ich nicht „kannte“ und der auch meinen Vater nicht kannte. Der erste Mensch, dem ich sachlich und klar erzählen musste, warum es mir nicht gut ging und was passiert war. Und irgendwie hat diese sachliche Erklärung mir den letzten Schlag versetzt. Auf einmal war es wahr. Ich bin völlig zusammengebrochen und er hat mich erst einmal für ein paar Tage krankgeschrieben. Ich bin schon mit vielen Dingen im Leben klargekommen, aber damit nicht. Ich stand einfach völlig neben mir. 

Bis auf die Gespräche mit meiner Mutter liegt diese Zeit irgendwie immer noch im Dunklen, ich kann mich an sehr wenig erinnern. Nur daran, dass mir immer wieder Worte eingefallen sind, die ich ihm nicht mehr sagen konnte, Geschichten, die ich ihm doch noch erzählen wollte. Dinge, die wir noch hätten tun können.

Ich habe es gerade geschafft, Freunde meiner Eltern in Österreich zu benachrichtigen, weil es mir richtig erschien und ich die Hoffnung hatte, dass Gespräche mit ihnen auch meiner Mutter helfen würden. 

Meine Mutter hat sich mit Hilfe der gemeinsamen Freunde in Aktivitäten gestürzt, der einzige machbare Weg, um nicht auch in ein Loch zu stürzen. All das was auf mich die ersten Tage eingestürzt ist, kam bei ihr viele Stunden, Tage und Wochen  später, im Laufe des Alleinseins. 

Bis zu diesem Tag hatte ich erst einmal einen Menschen verloren, meinen Opa. Damals war ich noch ein Kind und ich denke ich habe das gar nicht ganz realisiert, sondern lediglich schmerzhaft den Verlust gespürt. Es ist schwer zu erklären, wo da der Unterschied liegt.

Nachdem es mir besser ging und ich wieder zur Arbeit gegangen bin, kam meine Welt langsam wieder ins Gleis. Aber sie war anders. Auf einmal wusste ich, wie es ist etwas Unabänderliches zu erleben. Jemand wirklich nie wieder zu sehen. Etwas nicht aus eigener Kraft ändern zu können.

Viele Dinge, über die ich mir sonst Gedanken gemacht habe, waren auf einmal völlig unwichtig. Ich konnte immer nur wieder an die wichtigen Dinge denken, die ich meinem Vater nicht mehr sagen konnte, das macht einen immun gegenüber den typischen Büro-Wehwechen. Sie kommen einem auf einmal völlig unwichtig vor (was wohl auch der Realität entspricht) Auch meine Loyalität der Firma gegenüber hatte einen Riss bekommen, nachdem ich erfahren habe, dass es in meiner Firma keine freien Tage gab um zur Beerdigung meines Vaters zu fahren. Es ist als würde sich jemand vor dich hinstellen und sagen: „Bezahlten Urlaub? Nur weil dein Vater gestorben ist? Da kann ja jeder kommen. Wenn das jeder macht, ist die Firma leer.“ Gibt es wirklich so viele Mütter und Väter?
Es ist ein Schlag ins Gesicht, wenn es einem sowieso schon schlecht geht, aber so ist halt unsere Welt.

Dafür gab es auch viele hilfreiche Gespräche und solange mich niemand in den Arm genommen hat und mich trösten wollte ging es voran. Geholfen haben mir die Gespräche mit Leuten, die mir gesagt haben, dass es noch lange nicht aufhört und eigentlich nie ganz vorbei ist mit dem Schmerz. Die mir gesagt haben, dass das Vermissen mich immer begleiten wird. Das hört sich vielleicht seltsam an, aber man kämpft dann nicht mehr darum, dass alles wieder wie vorher wird, sondern versucht mit dem neuen Jetzt zurechtzukommen. 

Am Tag der Beerdigung habe ich noch ein Foto von mir und meinem Vater in die Urne legen lassen und dann haben wir ein letztes Mal Abschied genommen. Ich weiß nicht, wie ich ohne meine Freundin die Stunden geschafft hätte und ich weiß auch, dass mein Vater glücklich gewesen ist alle seine Freunde ein letztes Mal zu sehen. Sie waren alle da und selbst seine robusten Gartenfreunde haben sich nicht Ihrer Tränen geschämt. Ich glaube man konnte stolz sein, jemanden wie meinen Vater zum Freund zu haben…



Wenn ich das Foto so betrachte, dann habe ich meinem Vater wohl schon als Baby vertraut, sonst lässt man sich ja nicht so einfach übers Wasser hängen und guckt nur ganz neugierig. Vielleicht habe ich daher die Liebe zum Wasser. 

An die Urlaube auf Texel und Helgoland kann ich mich ansonsten nicht mehr erinnern, aber in den Jahren darauf sind wir zwei  immer sonntags morgens zu den Duisburger Hafen-Konzerten gefahren. Obwohl mir heute Florian Silbereisen & Co. ein Grauen sind, waren wir damals auch nicht besser. Wir haben uns Heino und die Westfälischen Nachtigallen angehört und noch heute kann ich nicht ruhig stehenbleiben, wenn ich zünftige Marschmusik oder eine anständige Blaskapelle höre (jeder hat halt seine Abgründe, deswegen liebe ich wahrscheinlich auch die Wiesn so *g*).

Ich glaube ich habe immer gewusst, dass ich mich auf meinen Vater jederzeit verlassen konnte, auch wenn ich es erst als Erwachsene richtig begriffen habe. 

Aber ich wurde auch viel gefordert und selten war etwas gut für ihn, was ich zustande brachte (zumindest wurde es selten lobend erwähnt). Da ich auch seinen Dickkopf geerbt habe und die Ungeduld meiner Mutter konnte das natürlich nicht lange gut gehen und so war meine Jugend und mein Teenagerdasein nicht immer vom Sonnenschein begleitet. Nicht selten fühlte ich mich ach so ungerecht behandelt und anstatt mal drüber nachzudenken, habe ich mich dann lieber aufgeregt und mich gewehrt. So ist das halt in der Pubertät habe ich mir sagen lassen.

Erst viel später, als ich schon längst selbstständig war, kam die Achtung voreinander zurück. Auf einmal haben wir beide gleichzeitig gemerkt: „Mensch, der andere kann ja was!“.  Wir waren uns in vielen Dingen ähnlich und auch darin Leistungen anzuerkennen und gut zu finden. Man definiert sich nicht über Erfolge im Leben, aber sie bringen einen weiter und sie prägen. Und ich mag diese Prägung bei Menschen. Damit ist nicht nur beruflicher Erfolg gemeint, sondern einfach nur das Bewältige von Situationen. Es ist auch nicht in Gehältern messbar, sondern in Lebenserfahrung, die man dann einfach ausstrahlt. 

Mein Vater hat gesehen, wie ich das mit meiner Selbstständigkeit hinbekommen habe. Er hat die Entwicklung beobachten können, vom Null-Bock-Schulmädchen zur bis in die Nacht arbeitenden Frau. Er hat mich beeindruckt, in dem er sich alles was mit dem PC zu tun hat selber beigebracht hat und dann für mich Programme geschrieben hat, die mir meine Arbeit sehr erleichtert haben. Damals habe ich schon außerhalb von Essen gewohnt und trotzdem hat er sich immer gleich ins Auto  gesetzt, wenn der PC gestreikt hat, auch wenn es manchmal nur die Blödheit seines Töchterleins war (die ihn sicherlich das eine oder andere zum Fluchen verleitet hat). Ich habe ja auch immer gleich nach ihm geschrien, wenn etwas war, denn er hat es immer hin bekommen. Er war meine sichere Bank und ich habe so ein Gefühl immer im Hintergrund gebraucht, dann war ich selber auch gut. 

(Mir fällt gerade auf, dass diese Stellung mein Nachbar und Freund in München übernommen hat. Wir sehen uns zwar nicht wirklich oft, aber er ist quasi mein Sicherheitspool in München, durch ihn fühle ich mich trotzdem so, als sei immer Hilfe in der Nähe, wenn ich mal nicht mehr weiterkomme sollte – ist ja auch so und verschafft mir ein gutes Gefühl, für den Fall der Fälle. Auch sonst haben die beiden viel gemeinsam.)

Vor allem die unerschütterliche Ruhe und Geduld. Bei mir braucht man viel Geduld.

Ich schwanke ständig in meinen Stimmungen, nicht umsonst sagt man dem Zwilling nach er sei „Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt“. Unwichtige Dinge können mich heute begeistern und morgen habe ich sie vergessen. In Dingen, die mir wichtig sind verbeiße ich mich gerne und will sie unbedingt haben oder schaffen und das am liebsten sofort. Dann brauche ich jemanden der mich wieder vom Baum herunterholt und sagt: „Immer mit der Ruhe und der Reihe nach.“ Den Satz hätte sich mein Vater wahrscheinlich aufnehmen und brennen lassen können, dann hätte er ihn immer nur abspielen brauchen.

Wenn es mir gut geht, rede ich wie ein Wasserfall, Kommentar meines Vaters war dann meist: „Sag mal, holst du eigentlich auch mal Luft zwischen den Sätzen?“ 

Er war ein Meister der wenigen Worten, die dann aber treffen und alles sagen was wichtig ist. Ich bevorzuge es, die ganze Geschichte zu erzählen mit allem was mir (und wahrscheinlich nur mir, ich gebe es ja zu) aufgefallen ist, das dauert dann halt schon mal länger. Damit habe ich ihn sicher oft in den Wahnsinn getrieben. Fakten, Fakten, Fakten - war noch nie mein Motto.

Er war technischer Zeichner und war klare Linien gewohnt. Meine oft konfuse du meist gefühlsmässige Herangehensweise war sicher nicht immer leicht zu ertragen. Alles das was er mir vermittelt hat, hat mich weitergebracht, auch wenn ich das erst Jahre später entdeckt habe. Die meisten seiner Beurteilungen haben gestimmt, auch die welche ich nicht hören wollte. Zumindest nicht immer sofort.

Im letzten Jahr haben mir meine Eltern das Angebot gemacht mir einen Urlaub zu schenken, den ich mir ja nie leisten konnte in den letzten Jahren. Das Angebot war, eine Urlaub in Spanien um mal wieder unter Leute zu kommen oder eine Woche mit Ihnen zusammen in dem Urlaubsort in Österreich, denn wir 14 Jahre zusammen besucht haben. Ich habe mich für den gemeinsamen Urlaub entschieden und bin heute froh so gewählt zu haben. So haben wir meinen Geburtstag zusammen gefeiert, was uns auch nicht oft gelungen ist, nachdem ich soweit weg gezogen bin und wir hatten noch einen gemeinsamen Urlaub.

Im Rückblick sehe ich immer wieder meinen Vater vor mir, der immer so aussah, als würde er dieses Familienzusammensein sehr genießen und als würde er alles abspeichern. Er hat die Krakeelen meiner Mutter und mir oft beobachtet und dabei gewirkt, als würde er sich das alles noch einmal richtig einprägen wollen. Vielleicht hat er einfach gewusst, dass weitere Urlaube mit dem Auto und zu mir bald nicht mehr möglich seien, wenn das mit seinem Herzen so weitergeht. Gesagt hat er nichts, er hat sich nicht einmal anmerken lassen, dass er nicht mehr so gut laufen konnte wie früher und war manchmal glaube ich froh, dass wir einfach nur zusammen in den Liegestühlen gelegen und gelesen haben. Seine Welt war in diesem Urlaub in Ordnung, das macht mich im Nachhinein sehr froh, denn ich habe mich auch sehr wohl gefühlt.

Mir zuliebe ist er sogar im vollen Weltmeister-Outfit aufgetreten, er, der mit Kitsch selten etwas anfangen konnte, hat zu jedem Spiel das Deutschland-Hütchen aufgesetzt, die Trillerpfeife gezückt und andere Fan-Utensilien (die ich natürlich mitgebracht habe) stillschweigend über sich ergehen lassen. Schaut es euch an:



 
Obwohl meine Eltern noch eine Woche länger geblieben sind, hat er mir zu jedem Spiel eine SMS geschickt: „Ich habe alles an, was du mitgebracht hast! Das bringt der Mannschaft sicher Glück“. Sieht so aus, als hätte auch er mir vertraut.

Das alles war mein Vater nicht nur für mich, sondern auch für meine Mutter und für den Freundeskreis. „Der Heinz, macht das schon“ haben sie immer gesagt. Das hat er auch meistens. Wie ein Stein in der Brandung hat er alle Katastrophen verhindert oder die Schäden begrenzt. Hat immer geholfen, ohne selber viel Hilfe anzunehmen (wir sind nicht gut im Annehmen, auch das habe ich von ihm – wir verteilen lieber)

Er war immer da, hat die Ruhe behalten und war trotzdem immer derjenige in dessen Ecke am meisten gelacht wurde. Mit seinem trockenen Humor, der immer ins Schwarze getroffen hat, hat er auch so manche Konfliktsituation entschärft und immer wieder alle zusammengebracht. Er konnte feiern und lachen und er hat den Menschen das Gefühl gegeben jemand Gutes zu sein.

Genau das war auf der Beerdigung zu spüren. Obwohl wir keine große Beerdigung wollten und dies auch geschrieben haben, war der Friedhof voll mit Freunden, alten Nachbarn und Arbeitskollegen und Menschen, denen mein Vater wichtig war.  

Heute bin ich froh darüber, denn ich bin mir sicher er hat sich gefreut alle noch einmal zu sehen. Auch wenn er dem einen oder anderen in die Seite gehauen hätte und gesagt hätte: „Du wirst doch nicht wegen mir heulen, nun reiß dich mal zusammen, bist doch ein ganzer Kerl!“.  Aber es hätte ihn trotzdem gerührt.  Wir sind halt auch nicht gut im Gefühle aussprechen wir Grewes. Und wenn ich irgendetwas in meinem Leben bereue dann das.

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Denn… wenn wir das mehr geübt hätten Papa, dann hätte ich dir vielleicht öfter mal gesagt, dass ich dich lieb habe. Hätte dir erzählt, wie ich Jahre später entdeckt habe, wie viel von dem Gesagten richtig war, was ich einfach nicht annehmen wollte. Ich hätte dir erzählt wie stolz ich auf dich gewesen bin und wie klasse ich all das fand, was du für viele Menschen getan hast. Stolz auf  das was du für mich und für andere warst. 

Hätte dir gesagt, wie dankbar ich bin, dass ihr mich nie im Stich gelassen habt und immer wieder für mich da wart, was auch passiert ist. 

Ich hätte dir gesagt, wie viel von deinem Humor ich mir abgeschaut habe und damit immer gut angekommen bin. 

Hätte dir gesagt, dass ich mir vieles von deiner Ruhe gewünscht habe und immer noch wünsche, weil ich es dann sicher leichter im Leben hätte. Aber das warst halt du und nicht ich.

Es gibt immer noch Abende, die ich weinend verbringe. Oft durch Kleinigkeiten ausgelöst, die mich erinnern. Es tut immer noch schrecklich weh und wenn ich an dich denke, zerreißt es mich fast und es zieht sich alles in mir zusammen. Es hat nicht nachgelassen und ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass wir uns wirklich nie wieder sehen. Ich bereue es mit dir in unserem letzten Gespräch rumgeblödelt zu haben und es macht mir Angst, dass ich nicht einmal mehr das Thema weiß. Aber ich weiß auch, dass dir so ein Gespräch lieber gewesen wäre, selbst wenn wir irgendetwas geahnt hätten.

Es fällt mir so schwer, dass wir nicht Abschied nehmen konnten, dass ich dir so vieles nicht mehr sagen konnte. Ich weiß gar nicht, ob mir das alles eingefallen wäre, wenn wir die Zeit gehabt hätten, aber das macht es nicht leichter. 

Ich bin kein gläubiger Mensch und glaube weder an Wiedergeburt noch an ein Leben nach dem Tod, aber ich spüre, dass du noch bei mir bist. Ich muss nicht einmal dein Foto anschauen, welchem ich gerade mein Blog vorlese, denn ich weiß, dass du trotzdem zuhörst. 

So, wie ich dich manchmal vor mir sehe, wenn du mich angegrinst hast. Ich höre oft, dass was du gesagt hättest. Oder frage mich, was du dazu sagen würdest. Du bist immer noch irgendwo bei mir. 

Du bist der Mann, der sich extra aus dem Jogginganzug geschält hat, wenn wir uns über Skype getroffen haben. Das Kind soll hat nicht denken, der Vater lässt sich gehen. Auch dafür danke ich dir, immer noch lachend.

Und ich weiß genau, was du jetzt sagen wirst:
„Sag mal, wird das heute noch was mit deinem Blog oder muss ich vor dem Bildschirm übernachten? Nun komm mal in die Pötte und zum Punkt.“

Also gut, lass mich also zum Punkt kommen:

Du fehlst mir und bist doch immer in meiner Nähe und ich bin mir sicher du wirst von dort (wo immer du auch bist) weiter über mich wachen und einspringen, wenn du es für richtig hältst. 

Danke für alles, auch für die Dinge, die ich vielleicht bis heute nicht mitbekommen habe. Danke, dass du mir so oft den Weg gewiesen hast oder am anderen Ende standest, wenn ich den falschen eingeschlagen habe. Danke für dein Vertrauen.

Ich liebe dich.



8 Kommentare:

  1. Danke auch! *Knuddel*
    Joerch

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  2. Wow. Du hast mich zum weinen gebracht. Du hast einen tollen Papa!

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  3. @Joerch ...ich bin mir sicher, es kommt an :-)

    @Tanja ...ja, das habe ich in der Tat und er wird es immer für mich sein.

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  4. Christine / scorpy161131. August 2011 um 19:32

    Ein wunderschöner Beitrag, der zu Tränen rührt.

    Der Tod meiner Mutter liegt nun schon über 6 Jahre zurück, und ich weiß nicht, ob je ein Tag seitdem vergangen ist, an dem ich nicht an sie gedacht habe. Ich weiß nicht, ob ich je so weit sein werde, sie nicht schmerzlich zu vermissen.

    Aber wir haben etwas Wunderbares ... wunderschöne Erinnerungen ...

    *schneuz*

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  5. Mein Vater war jahrelang herzkrank, und so kam sein Tod eigentlich nicht überraschend, und dennoch - man ist nie vorbereitet. Es ging mir exakt wie Dir, als ich von meiner Mutter den Satz morgens am Telefon hörte: "Du Sabine, Papa ist eben gestorben!"
    Man steht neben sich, ist erschüttert, alles fällt auseinander, und gleichzeitig scheint alles unwirklich.
    Ich habe 2 Tage am Stück geweint, am 2. hatte ich dann einen Schwindelanfall, wäre fast umgekippt, von da an wurde es dann besser mit mir. Meine Ma kam mich besuchen, und wir verbrachten eine ruhige, gemeinsame Woche, in der wir sehr viel über Papa sprachen, und ich muss sagen, das drüber reden und auch lachen über das ein oder andere, hat mir am meisten geholfen.

    Das ist jetzt 13 Jahre her und es gibt durchaus Tage, wo ich nicht an ihn denke. Aber das hat gedauert.

    Dieses Gefühl der Ohnmacht hat mir am meisten zu schaffen gemacht, glaub ich. Dass ich es nicht mehr ändern kann, dass er einfach "weg" ist, dass da keine lieben Worte mehr kommen, kein Austausch...

    Nein, ich vermisse ihn jetzt nicht mehr wirklich. Es ist lange her. Er hat sich lang gequält und war sehr tapfer. Ich hätte ihm nur ein paar bessere letzte Jahre gewünscht, schon zu Lebzeiten.

    Aber ich liebe ihn. Ich würde heute gern mit ihm sprechen, nach all den Jahren. Würde ihm gern seinen Enkel zeigen und fragen, was er von ihm hält... ;)

    Vielleicht suche ich mir mal ein Medium, das mit Verstorbenen reden kann und dann tauschen wir uns aus. ;)

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  6. Ja, genau das ist es was ich auch nicht hinbekommen habe, dieses Ohnmachtsgefühl. Manchmal begreife ich es heute noch nicht.

    Egal, wie es mit uns weitergeht nach dem Verabschieden, ich bin mir sicher er guckt sich seinen Enkel schon die ganze Zeit an und ist absolut begeistert :-))

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  7. Ich vermute, da hast Du recht, Du Liebe! ;)

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